View Categories

Krisen und Notfälle

8 min read

Notfallmanagement #

Falls erforderlich, erarbeiten Sie bitte mit Ihren PatientInnrn einen persönlichen Notfallplan, der Adressen von stationären und ambulanten Notfalleinrichtungen sowie ggf. von einem/einer VertretungskollegInnen beinhalten sollte. Nehmen Sie einen solchen Notfallplan in Kopie in die PatientInnenakte auf. Ob dies erforderlich erscheint ist Teil der täglichen therapeutischen Arbeit eine Rückfrage gerade im Vorlauf auf die erste Urlaubsunterbrechung direkt an die PatientInnen ist wahrscheinlich hilfreich.

Nachfolgend finden Sie Informationen zum Umgang mit psychotherapeutischen und medizinischen NotfallpatientInnen sowie zum Verhalten im Brandfall.

Notfallplan #

Jede/r in der Institutsambulanz tätige AusbildungskollegIn ist verpflichtet, zu Beginn seiner/ihrer praktischen Ausbildung einen individuellen TherapeutInnen-Notfallplan zu erstellen, der ihm/ihr zur unverzüglichen Versorgung von NotfallpatientInnen zur Verfügung steht. Hierzu können Sie den PatientInnen-Notfallplan in allgemeiner Form als Vorlage verwenden. Entscheidend ist, dass Sie einige Telefonnummern und Handlungsstrategien für den Notfall „griffbereit“ vorbereitet haben.

Zudem sollten Sie auch mit einer bestimmten PatientInnengruppe (z. B. PatientInnen, die bei Krisen schnell in eine suizidale Krise gelangen) einen PatientInnen-Notfallplan erarbeiten, der ggf. folgende Angaben erhalten sollte:

  • Adressen von regionalen Notfalleinrichtungen, die im Notfall kontaktiert werden können.
  • die Erreichbarkeit von mitbehandelnden ÄrztInnen, ggf. auch außerhalb der Sprechzeiten
  • Kontaktdaten von wichtigen Bezugspersonen
  • individuelle getroffene Vereinbarungen Ihrer Erreichbarkeit – auch außerhalb der Sprechzeiten – und in Krisen-, Wochenend- und Urlaubszeiten

Bitte fertigen Sie sich zu Dokumentationszwecken eine Kopie des PatientInnen-Notfallplans an und hinterlegen ihn in der PatientInnenakte, um auch im Notfall ggf. relevante Personen und spezielle Einrichtungen, mit denen der/die PatientIn ggf. bereits Erfahrungen gesammelt hat, unverzüglich erreichen zu können.

Besprechen Sie mit Ihrem/Ihrer PatientIn ausführlich, wo dieser seinen Notfallplan aufbewahrt, um ihn/sie in Notfällen auch griffbereit zu haben. Es kann zudem die Möglichkeit besprochen werden, einem vertrauten Dritten diesen Notfallplan zu geben, damit dieser den/die PatientIn ggf. in Krisenzeiten unterstützen kann.

Krisenhafter Kontakt am Telefon #

Entsteht in der telefonischen Erstkontaktaufnahme der Eindruck, dass der/die PatientIn sich in einer schweren Krise befindet und sofortige Hilfe benötigt oder suizidgefährdet ist, sollten Sie mithilfe Ihres individuellen Notfallplans den/die PatientIn die Telefonnummern und Ansprechpartnern der örtlichen Krisendienste und der psychiatrischen Ambulanzen nennen. Lassen Sie sich unbedingt versprechen, dass der/die PatientIn diese Einrichtungen auch aufsuchen wird. Vielleicht ist es möglich, mit dem/der PatientIn einen kurzen Telefonkontakt zu vereinbaren, wenn er/sie in der Einrichtung angekommen ist. Sollten Sie den/die PatientIn noch gar nicht kennen, ist in solch einer akuten Situation das Aufsuchen einer psychiatrischen Einrichtungen sicherlich einem psychotherapeutischen Erstkontakt vorzuziehen.

Prüfen Sei bei PatientInen, die Sie schon in therapeutischer Behandlungen haben, ob es dem/der PatientIn möglich ist, noch einen Krisentermin bei Ihnen – der zeitnah noch am selben Tag erfolgen sollte – anzunehmen. In diesem Gespräch sollten Sie dann das weitere Vorgehen besprechen (siehe unten).

Krisenhafte Entwicklung in der Therapiesitzung #

Wird während des therapeutischen Gesprächs in einer laufenden Behandlung deutlich, dass der/die PatientIn sich in einer akuten Krise befindet und er/sie im Rahmen der ambulanten Therapie nicht ausreichend behandelt werden kann, müssen Sie gemeinsam mit Ihrem/Ihrer PatientIn eine stationäre Einweisung z. B. in eine psychiatrische Fachklinik/Kinder- und Jugendpsychiatrie besprechen. Hierzu kann es notwendig sein, den/die behandelnde/n Arzt/Ärztin und/oder vertraute Dritte des/der PatientIn in die Überlegungen mit einbeziehen.

Sind akut suizidale PatientInnen nicht mehr ausreichend absprachefähig, müssen Sie nach Bestimmungen des PsychKG’s unter Einbezug eines/einer Psychiaters/Psychaterin auf die Einweisung in eine psychiatrische Klinik beharren! Hierzu rufen Sie bitte bei akuter Suizidalität unter Anwesenheit Ihres/Ihrer PatientIn eine/n Notarzt/-ärztin an und warten gemeinsam mit Ihrem/Ihrer PatientIn in der Praxis bis zum Eintreffen des/der Arztes/Ärztin. Es erfolgt dann die direkte Einweisung in die Psychiatrie.  Sollte sich Ihr/e PatientIn weigern, gemeinsam mit Ihnen auf den/die Notarzt/-ärztin zu warten und können Sie auch mit beruhigendem Zureden nicht bewirken, dass Ihr/e PatientIn in der Praxis bleibt, dürfen Sie ihn/sie in keinem Fall gegen seinen/ihren Willen festhalten – dies wäre dann Freiheitsberaubung! Benachrichtigen Sie in diesem Fall bitte die Polizei, damit diese dann ggf. zu der Wohnung Ihres/Ihrer PatientIn fährt oder andere Schritte einleitet. Bitte keine Sorge, dieser Fall kommt sehr selten in der ambulanten therapeutischen Praxis vor!

In Behandlungen von Kindern und Jugendlichen kann immer wieder im Verlaufe der Therapie der Wunsch eines Kindes oder eines Jugendlichen auftreten, nach der Therapie nicht mehr nach Hause zu wollen/können. Für die Unterstützung dieses ggf. wichtigen Schrittes, sollten die Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen über Adressen von entsprechenden Einrichtungen, z. B. vom Kinderschutzbund, Kindernotdienst oder von Jugendwohngruppen verfügen, um mit diesen Einrichtungen zeitnah Kontakt aufnehmen zu können. Minderjährige bitte nie alleine „irgendwo“ hingehen lassen, sondern immer gemeinsam mit dem Kind/Jugendlichen nach möglichen Begleitpersonen gucken und diese in die Lehrpraxis bestellen.

Risikoabschätzung „Kindeswohlgefährdung“ #

In den letzten Jahren wuchs das Bedürfnis nach einem Schutzauftrag für Kinder und Jugendliche, welcher im Gesetz verankert wird, nachdem mehrere Meldungen von Kindesmisshandlung und –vernachlässigung durch die Presse gingen. Im KICK (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz) wurde durch Hinzufügen des § 8a SGB VIII diesem Bedürfnis nachgekommen. Diese Regelung verpflichtet dazu, bei wahrgenommener Kindeswohlgefährdung bestimmte Verfahren einzuhalten.

Als Kindeswohl  gefährdende Erscheinungsformen lassen sich grundsätzlich unterscheiden:

  • körperliche und seelische Vernachlässigung
  • seelische und körperliche Misshandlung
  • sexuelle Gewalt

Kindeswohlgefährdung wird definiert als „eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.“

Ob gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen, lässt sich jedoch nur im Einzelfall entscheiden. Leider gibt es keine klaren empirischen Indikatoren, aus denen sich eine Kindeswohlgefährdung mit eindeutiger Sicherheit ableiten ließe. Somit kann immer nur der qualifizierte Einschätzungsprozess im Einzelfall, der sowohl die erkennbaren Gefährdungsrisiken als auch die vorhandenen Ressourcen sowie die Bereitschaft und Fähigkeit der Eltern zur Verantwortungsübernahme berücksichtigt, ein angemessenes Bild ergeben.

Nicht die – möglicherweise berechtigten – Sorgen um problematische oder grenzwertige Erziehungs- und Lebenssituationen, sondern ausschließlich eine mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende schwere Schädigung des Kindes durch sexuelle, körperliche oder seelische Gewalt oder schwere Vernachlässigung löst ein Verfahren nach § 8a SGB VIII aus.

Im Folgenden einige Anhaltspunkte, die eine Orientierungshilfe sein können, aber nicht alle Anhaltspunkte erfassen (orientiert sich an der Hamburger Liste):

Äußere Erscheinung des Kindes:

    • massive oder wiederholte Zeichen von Verletzungen ohne erklärbar unverfängliche Ursache bzw. häufige Krankenhausaufenthalte aufgrund von angeblichen Unfällen
    • starke Unterernährung
    • fehlende Körperhygiene
    • mehrfach völlig witterungsunangemessene oder völlig verschmutzte Kleidung

Verhalten des Kindes:

    • wiederholte oder schwere gewalttätige und/oder sexuelle Übergriffe gegen andere Personen
    • Kind wirkt berauscht und/oder benommen bzw. im Steuern seiner Handlungen unkoordiniert (Drogen, Alkohol, Medikamente)
    • wiederholtes apathisches oder stark verängstigtes Verhalten des Kindes
    • Äußerungen des Kindes, die auf Misshandlungen, sexuellen Missbrauch oder Vernachlässigung hinweisen
    • Kind hält sich wiederholt zu altersunangemessenen Zeiten ohne Erziehungsperson in der Öffentlichkeit auf
    • Kind hält sich an jugendgefährdeten Orten auf
    • schulpflichtige Kinder bleiben ständig oder häufig der Schule fern
    • Kind begeht häufig Straftaten

Verhalten der Erziehungspersonen der häuslichen Gemeinschaft:

    • wiederholte oder schwere Gewalt zwischen den Erziehungspersonen
    • nicht ausreichende oder völlig unzureichende Bereitstellung von Nahrung
    • massive oder häufige körperliche Gewalt gegenüber dem Kind
    • häufiges massives Beschimpfen, Ängstigen oder Erniedrigen des Kindes
    • Gewährung des unbeschränkten Zugangs zu Gewalt verherrlichenden oder pornographischen Medien
    • Verweigerung der Krankheitsbehandlung oder der Förderung behinderter Kinder
    • Isolierung des Kindes (z. B. Kontaktverbot zu Gleichaltrigen)

Familiäre Situation:

    • Obdachlosigkeit
    • Kleinkind wird häufig oder über einen längeren Zeitraum unbeaufsichtigt oder in Obhut offenkundig ungeeigneter Personen überlassen
    • Kind wird zur Begehung von Straftaten oder sonst verwerflichen Taten eingesetzt
    • Extreme finanzielle oder materielle Notlage

Persönliche Situation der Eltern oder der häuslichen Gemeinschaft:

    • stark verwirrtes Erscheinungsbild
    • häufige berauscht und/oder benommene bzw. eingeschränkt steuerungsfähige Erscheinung, die auf massiven, verfestigten Drogen-, Alkohol-, oder Medikamentenmissbrauch hindeutet

Wohnsituation:

    • Wohnung ist stark vermüllt, völlig verdreckt oder weist Spuren äußerer Gewaltanwendung auf
    • Nichtbeseitigung von erheblichen Gefahren im Haushalt (z. B. defekte Stromkabel oder Steckdosen, Herumliegen von „Spritzbesteck“)
    • das Fehlen von einem eigenen Schlafplatz bzw. von jeglichem Spielzeug des Kindes

Für die genaue Dokumentation und Abläufe des Vorgehens bei Kindeswohlgefährdung finden sich im Internet diverse Seiten, welche Vordrucke oder Formulare beinhalten.

 

Die geschlossene Unterbringung Minderjähriger

Der § 1631 b BGB regelt die geschlossene Unterbringung Minderjähriger durch das zuständige Familiengericht auf Antrag der Sorgeberechtigten.

Auf Grundlage dieses Antrages und einer ärztlichen Stellungnahme entscheidet der Richter über die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung gegen den Willen des/der PatientIn.

Eine geschlossene Unterbringung in der KJP soll nur stattfinden, wenn diese zum Wohle des Kindes erforderlich ist, sowie eine psychiatrische Erkrankung vorliegt bzw. zwingend abgeklärt werden muss, wie dies z.B. bei akuter Psychose, akuter Selbst- oder Fremdgefährdung der Fall ist.

Bei mangelnder Zustimmung oder Nichterreichbarkeit der Sorgeberechtigten kann bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt nach § 42 KJHG eine Inobhutnahme in der Klink erfolgen.

Eine Unterbringung nach Psych-KG sollte bei Minderjährigen nur im Ausnahmefall erfolgen (z.B. Sorgeberechtigte nicht erreichbar bzw. stimmen nicht zu, Jugendamt nicht erreichbar).

Medizinische Notfälle #

Mögliche körperliche Komplikationen einer psychotherapeutischen Behandlung sollten Sie ausführlich zu Beginn der Therapie mit Ihren PatientInnen besprechen, insbesondere mit RisikopatientInnen wie z. B. Herzkranke. In der Erhebung des psychischen, sozialen und körperlichen Befundes sollte Sie genau auch auf solche Fragestellungen eingehen, um u. a. neben der psychischen auch die körperliche Belastbarkeit des/der PatientIn einschätzen und diese in der weiteren Therapieplanung berücksichtigen zu können. Gezielt können Sie dann Interventionen anwenden, mit denen (z. B. durch Entspannungstechniken und/oder Übungen zur Körperwahrnehmung) das frühzeitige Erkennen von Risikofaktoren sowie körperlichen Veränderungen gestärkt werden. Besprechen Sie sich aber bitte bei der Behandlung mit solchen körperlichen „RisikopatientInnen“ auch mit Ihrem/Ihrer SupervisorInnen!

Treten unerwartet medizinische Notfälle in der psychotherapeutischen Praxis auf, informieren Sie bitte unverzüglich telefonisch den Rettungsdienst (Rufnummer: 112). Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes versorgen Sie Ihre/n PatientIn mit den in jedem Erste-Hilfe-Kurs erlernbaren Basiskenntnissen zur Aufrechterhaltung/Wiederherstellung der Vitalfunktionen. Bitte sorgen Sie dafür, dass Ihr Wissen diesbezüglich aktuell ist. Besuchen Sie gegebenenfalls einen Erste-Hilfe-Kurs zum Auffrischen Ihrer Kenntnisse.

Unterstützung der APH bei Notfällen und akuten Situationen #

Vielleicht haben Sie während einer oder nach einer Therapiesitzung das Gefühl, innerlich absolut aufgelöst zu sein und Sie plagen Selbstzweifel, ob Sie auch „richtig“ behandelt haben oder Sie sind sich unsicher, was Sie in einer Notsituation (wie z. B: Ihr Patient ist akut suizidal) machen sollen. Scheuen Sie sich bitte nicht, um Unterstützung zu bitten. In der Ambulanz sind die Leitung oder andere AusbildungskollegInnen für Sie verfügbar. Besprechen Sie aber zunächst auch mit Ihren SupervisorInnen, ob und in welcher Form Sie diese in Notsituationen kontaktieren können.

Der/die SupervisorIn ist der/die 1. AnsprechpartnerIn für Notfallsituationen – besprechen Sie daher unbedingt die Erreichbarkeit außerhalb der vereinbarten Supervisionsstunde!

Sollte Ihr/e SupervisorIn auch nach einiger Wartezeit nicht zurückrufen, wenden Sie sich an die Ambulanzleitung: Charlott O’Boyle  unter 015568531540. Bitte hinterlassen Sie eine Mailboxnachricht oder eine Textnachricht mit Ihrem Namen und dem Anlass.

Stellen Sie immer sicher, dass Sie keinen Zeitdruck haben, sagen Sie ggf. folgende Therapiestunden / Termine ab und stellen Sie den/die PatientIn darauf ein, dass jetzt erhebliche Wartezeit folgen kann. Oft verändert sich über die Wartezeit bereits die Situation so sehr, dass Sie nicht mehr als akut bzw. Notfall einzuschätzen sein wird.

Verhalten im Brandfall #

Alle in der Ambulanz tätigen AusbildungskollegInnen sollten über ausreichendes Wissen zum Umgang im Brandfall verfügen. Schauen Sie sich nach Feuerlöschern, Löschdecken und Fluchtwegen um. Wichtig ist, dass Sie im Falle eines Brandes Sorge dafür tragen, dass alle sich in den Räumlichkeiten befindenden Personen in Sicherheit kommen und Sie bemüht sind, Ihre PatientInnen und KollegInnen bei eventuell auftauchender Panik zu beruhigen.

Notfallmanagement im Brandfall